Dialogforum will Mittelstand zu Investitionen auf dem Chancenkontinent Afrika bewegen
Ist wirtschaftliches Engagement in Afrika auch für den deutschen Mittelstand profitabel, wo liegen die Chancen, wo die Risiken? Antworten auf diese und weitere Fragen gaben einer erstmals in Offenbach veranstalteten deutsch-afrikanischen Dialogkonferenz am Samstag, den 7. Dezember 2013 im Haus der IHK.
Von Harald H. Richter
OFFENBACH. Lange galt Afrika als der Hungerkontinent, mit Begriffen wie Gewalt, Korruption und politischer Instabilität in Verbindung gebracht. Dieser Eindruck ist in der öffentlichen Wahrnehmung vielfach noch vorhanden, das tatsächliche Lagebild aber differenzierter. Für den Kontinent stehen nach Phasen des Stillstands und zahlreicher Kriege die Zeichen auf Prosperität. Experten sehen gute Gewinnerwartungen, kräftige Wachstumsaussichten und Perspektiven für eine dauerhafte Dynamik. Infrastruktur und Kommunikationswege wollen ausgebaut, ein vernünftiges Bildungs- und Gesundheitswesen installiert werden. Das weiß man auch bei der EU und möchte Partner eines prosperierenden Afrikas sein. Chancen eröffnen sich dabei auch dem deutschen Mittelstand.
„Kommission und Mitgliedsstaaten der Union leisten eine jährliche Entwicklungsförderung von rund 20 Milliarden Euro“, sagt Michael Gahler in seinem Schwerpunktvortrag während der vom Verein Deutsch-Afrikanische Brücke e.V. veranstalteten Dialogkonferenz am Samstag in Offenbach. Der 53-Jährige ist Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament und zugleich Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zum Panafrikanischen Parlament. Er kennt die Verhältnisse insbesondere in Zentralafrika, nicht zuletzt durch seine Tätigkeit in der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU. Dieses Beratungsorgan sieht seine Aufgabe darin, demokratische Prozesse durch Dialog und Beratung zu fördern und das Verständnis zwischen den Völkern der EU und den Staaten in Afrika, der Karibik und des Pazifikraumes zu stärken.
Dass dies nötig ist, ist unbestreitbar, will man nicht das Nachsehen haben. Mehrere Schwellenländer sind längst vor Ort und entfalten mannigfache Wirtschaftsbeziehungen. Die Chinesen etwa. Sie fördern Rohstoffe und seltene Erden, bauen die notwendige Infrastruktur gleich mit auf und zwar zu den hälftigen Kosten als die Konkurrenz. „Ihre Arbeiter schuften zu Dumpinglöhnen, sogar Strafgefangene werden eingesetzt“, merkt der Parlamentarier kritisch an. Europa will auf andere Weise gegenhalten, beim Engagement in Afrika seine Prinzipien nicht über Bord werfen. Die EU setzt auf strategische Partnerschaften mit der Afrikanischen Union, hat dazu mehrere Tätigkeitsfelder abgesteckt, u.a. Frieden und Sicherheit, demokratische Strukturen und Menschenrechte.
Zwar ist der Großteil der Länder politisch stabil, in denen sich durch nationale Reformen und Liberalisierungen das Geschäftsklima aufgehellt hat und so verbesserte makroökonomische Rahmenbedingungen geschaffen worden sind. Doch es gibt Unterschiede. Kenia, Tansania, Uganda, Ruanda und Burundi etwa haben gegenseitige Handelsschranken abgebaut mit der Folge einer nachhaltigen Belebung des Binnenhandels in dieser Region. Die Produktivität dieser Übergangsökonomien ist bereits ähnlich hoch wie jene in Indien oder China. Anderswo geht es nur schleppend voran.
Unterdessen haben reiche Ölstaaten am Golf den Kontinent für sich entdeckt. „Während wir noch demokratische Reformen einfordern, fahren andere längst mit ihren Öltankern im Hafen ein“, beschreibt CDU-Bundestagsabgeordneter Charles M. Huber (Seeheim-Jugenheim) den Realzustand. Als Sohn eines senegalesischen Diplomaten ist er mit den Verhältnissen in Schwarzafrika vertraut. Nach Ende seiner Schauspielerkarriere ging der Afrodeutsche Mitte der 90er-Jahre als Berater nach Äthiopien, arbeitete für die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO und hat Firmen beraten, die den afrikanischen Markt erschließen wollen. Ihm ist es wichtig, vorhandene Risiko-Aversion abzubauen und Unternehmen zu Investitionen zu ermutigen. „Europa und damit auch Deutschland muss eine Strategie entwickeln, damit sich der Mittelstand entwickeln kann“, sagt er und bestätigt, dass Schwellenländer wie China, Brasilien oder Indien neue Allianzen schmiedeten. „Da dürfen wir den Anschluss nicht verlieren.“
Eine Menge internationalen Kapitals fließt nach Afrika. Die Direktinvestitionen haben sich seit dem Jahr 2000 vervielfacht. Längst geht es nicht nur um eine Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Der Darmstädter Pharmahersteller Merck beispielsweise hat zehn Länder südlich der Sahara als Wachstumsgebiete definiert, unter anderem Kenia, Nigeria und Uganda, um eine medizinische Infrastruktur aufzubauen und Tropenkrankheiten zu bekämpfen. „Wir haben bisher etwa 30 Millionen Kinder behandeln können“, referiert Sprecherin Friederike Segeberg, „und werden so lange weitermachen, bis die Wurmkrankheit Bilharziose ausgerottet ist.“ Gottfried Milde, Sprecher der Geschäftsleitung der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen zeigt beispielhaft Hilfen zur Selbsthilfe für die Menschen in Afrika auf, so aus dem Bereich der landwirtschaftlichen Produktion und Vermarktung.
Zwar nutzen etliche Mittelständler das Dialogforum, um Chancen für ein Engagement auf dem Kontinent auszuloten. Dennoch ist Organisator René Bell Bell ein wenig betrübt darüber, dass die Veranstaltung trotz schriftlicher Einladung bei der Stadtverwaltung unbeachtet blieb. „Ein Grußwort hätte ich mir um der Sache willen schon gewünscht.“ Dennoch will er sich nicht entmutigen lassen, plant für 2014 eine Zweitauflage.